Breslauer Lerge. Kurz vor der Hölle – Teil 2

Mein Sohn Klaus war etwa 13 Jahre, als mich einmal mein alter Kumpel Heinz Sachse in Berlin besuchte. Wir redeten in der Küche stundenlang über unsere Jugend und den Krieg – und haben uns kaputtgelacht! Klaus sagte am nächsten Tag bestürzt: „Also wenn man euch so reden hört, wünscht man sich ja fast, dass wieder Krieg ist.“ Ich verstand was er meinte, doch wenn man so eine schlimme Zeit überlebt hatte, will man das Erlebte verdrängen und redet nur noch über die schönen Dinge. Bei Hitlers Machtantritt 1933 war ich noch keine acht Jahre alt. Zur damaligen Zeit war ich in den Augen der neuen Machthaber ein so genannter „Vierteljude“, da ein jeder Deutsche dazu verpflichtet wurde, seinen Stammbaum drei…

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Halbgare Gürteltiere in Tikal – Guatemala zur WM 2002

„Wisst ihr eigentlich, wo das Abflussrohr endet?“, brüllt uns Jenna vom Steg aus zu. „Dort, wo ihr gerade schwimmt!“ Wir zeigen ihm ein Fuckoff und gleiten weiter über den malerischen See. Der Lago de Peten-Itza ist kilometerlang, das wird sich schon einigermaßen verteilen. „Ich war aber gerade auf dem Klo!“, fügt unser Freund lachend hinzu. Göte und ich paddeln merklich schneller in Richtung der Seerosen. Flores liegt auf einer kleinen Insel und ist nur durch einen Damm mit dem Festland verbunden. Obwohl sämtliche Spuren der ehemaligen Maya-Bewohner vernichtet wurden, ist es wunderschön. An den schmalen, gepflasterten Straßen haben sich kleine Hotels und Restaurants angesiedelt und der Hauptplatz mit der Kirche liegt auf einem Hügel im Zentrum. Miguel hatte uns vor…

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Sozialistische Tiere – ein kleiner Ringel in Ostberlin – Kindheit in der DDR

Oh Mann, bin ich alt geworden. Letztes Wochenende habe ich tatsächlich einen Spaziergang mit meiner Nichte und meinem Neffen & ihren Eltern rund um die Rummelsburger Bucht ich Richtung Treptow gemacht und diesen - durchaus lustigen Ausflug - als "Ringel" bezeichnet. Wie gesagt: alt geworden der Mark, oder einfach nur nostalgisch-senil. Früher war das so: . Leider gab es in meiner Kindheit noch ein wesentlich schlimmeres Horrorszenario als: „Wir fahren in den Garten!“ Es hieß: „Wir machen einen Ringel!“ Im Prinzip bedeutete so ein „Ringel“, dass sich die komplette Familie Scheppert auf Befehl meiner Mutter fein herausputzen und im Schneckentempo durch den Volkspark Friedrichshain spazieren musste. Wir gingen von unserer Wohnung in der Mollstraße zum Lenindenkmal, vorbei an den Köhlerhütten…

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Nachspiel: Deutschland vs. Ghana – Brasilien 2014

Danny und Jenna gehen nach dem Konzert ins Hotel, doch ich habe mein Zeitgefühl längst verloren und streune mit Erni in eine vermeintlich gefährliche Ecke der Stadt. Gerade als wir einsichtig umkehren wollen, hören wir verlockende Musik auf der anderen Straßenseite. Etliche Einheimische aber auch Deutsche in Nationaltrikots stehen dort vor einer Art Disco und plaudern. Ein kahl-rasierter Typ brüllt genau in diesem Moment: „Zieh dein Scheiß-Ölaugen-Trikot aus, du Fotze“. Der Drecks-Nazi und seine Jungs, deren Herkunft ich nicht verraten will, um diesen Verein nicht in Misskredit zu bringen, beschimpfen einen Kerl, weil er ein Özil-Trikot trägt. „Verbisst euch ihr Benner“, ruft Erni unfassbar mutig. Ich zupfe ihm am Ärmel, doch seine Nase bleibt heil, da die Deutschen mit Hirn…

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Tierschlagzeile in dieser Woche: Das schnellste Faultier der Welt

... mit einem Kahn, der diesen Booten im Spreewald gleicht, stakt uns Pepe in den stark zugewucherten Regenwald auf der Suche nach Preguiças oder Sloths, wobei wir weder das portugiesische noch englische Wort übersetzen können - das macht die Sache spannend. Ich war bisher eigentlich der Meinung, in Südamerika schon alle spektakulären Tiere gesehen zu haben, seien es Lamas, Pinguine, Gürteltiere, Ameisenbären, Tukane, Tapire, Kondore, Brüllaffen, Riesenotter, Kaimane, Pumas, diverse Schlangen, Spinnen und so weiter. Sogar sehr seltene Arten wie Rosa-Flussdelfine, hyazinthfarbene Aras und ein Jaguar stehen auf meiner Lebensliste. Doch als ich das zottelige Wollknäul heute das erste Mal erblicke, weiß ich, dass eine Spezies bisher noch fehlte: das Faultier. In den Baumkronen über uns entdecken wir bald etliche…

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Lesung „Mittendrin“ am 11.02.2016

Berlinale? Ach, ja, die fängt ja da auch an. Viel wichtiger aber: die "Unerhörten" lesen wieder im Café und Antiquariat Tasso auf der Frankfurter Allee- in wirklich jeder Hinsicht mittendrin! Mit mir natürlich und wesentlich besseren Vorlesern. Kommt mal vorbei! Wann: 11.02.20016 ab 20 Uhr Wo: Frankfurter Allee 110 (Café Tasso) Wer: Lesebühne "Die Unerhörten" Thema: Mittendrin! . . .

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Europameister Dänemark? Fussball-EM 1992

„Wart ihr denn schon im Aztekenstadion?“, brüllt mein Vater in den Hörer. Obwohl ich sofort verneine, plappert er einfach drauflos und erzählt vom EM-Halbfinale, das vor zwei Tagen stattgefunden hatte. Endlich hätten die mal vernünftig gespielt und wären durch das 3:2 ins Finale gegen Dänemark eingezogen. „Häßler und zweimal Riedle“, berichtet er, als ob das für mich eine Rolle spielt. „Danke Alter, aber eigentlich wollte ich euch nur sagen, dass ich gut angekommen bin!“ Erstmals wird mir bewusst, wie gerne mein Vater zur Fußball-WM 1986 nach Mexiko gefahren wäre. Doch den göttlichen Maradona einmal live im Aztekenstadion zu sehen, war ihm nicht vergönnt gewesen. Der Mauerfall kam für ihn ein paar Jahre zu spät. Mit einem grün-weißen Käfer-Taxi geht es…

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Breslauer Lerge – Alles ganz simpel

"Heimat ist für mich kein Ort sondern eher ein Gefühl. Sie ist oftmals dort, wo meine Familie, meine Freunde und die meisten meiner Bekannten leben. Mein Zuhause lässt sich eher mit einer Empfindung umschreiben: Geborgenheit. Von 1925 bis 1943 gab es dieses Gefühl nur in einer Stadt an der Oder. Immer wenn ich später Formulare ausfüllen sollte, ermahnten mich gestrenge DDR-Beamte, dass mein Geburtsort Wroclaw hieße. Noch heute muss ich darüber schmunzeln, denn es gibt sicherlich Tausende Menschen, die in Karl-Marx-Stadt und eben nicht Chemnitz zur Welt gekommen sind. „Nein meine Herren. Der Ort meiner Geburt, meiner Kindheitstage und Jugend heißt Breslau!“ Ich wurde 1925 in den Zeiten der Weimarer Republik im Stadtteil Gräbschen im Westen der Stadt geboren. Unser…

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