Feuerohren & Brennesseln im Ferienlager – Kindheit in der DDR

Bei meinem allerersten Kinderferienlager in der 1. Klasse war ich sieben Jahre alt. Die älteren Kinder quälten mich und ich konnte das nicht einmal meinen Eltern schreiben, da ich gerade erst OMA gelernt hatte. Da ich auch noch nicht lesen konnte, befand ich mich zwei Wochen lang in einer Kinderhölle ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Im Lager gab es niemanden, der einen tröstete. Es gab auch keine Telefone. Heulend lag ich jeden Abend oben auf meinem Doppelstockbett und wollte nur zurück nach Hause zur MAMA. Das Wort konnte ich auch schon schreiben. Sie haben mir die Arme auf den Rücken gedreht, brennende „Feuerohren“ gerieben, wie verrückt aufs Schulterblatt geboxt und gemein die Beine von hinten gestellt, sodass ich dauernd in…

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Touristenfalle – der Tag nach dem Mauerfall 1989

Am 10. Nov. 1989 sitzen wir um 10 Uhr in einer vollbesetzten S-Bahn in Richtung Friedrichstraße. Es ist ein Zug der Verlierer, ein Zug all jener Menschen, die gestern verpennt und sich den ganzen Tag die euphorischen Geschichten der anderen vom Mauerfall haben anhören müssen. Ein unangenehmer Zeitgenosse mit Schnurbart liest die BZ eines bereits „drüben“ gewesenen Kollegen. Die Titelschlagzeile lautet: Die Mauer ist weg! JEDER darf ab sofort durch! Deutschland weint vor Freunde. Die ersten sind schon da! Wir reichen uns die Hände! Otto reicht mir die Hand und sagt: „Jetzt muss ich auch gleich heulen, hab meine Kippen zu Hause vergessen.“ „Scheiße ich habe auch nun noch zwei“, antworte ich. Am Grenzübergang Invalidenstraße quetschen wir uns rauchend durch…

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Und am Freitag in den Garten …

Die Reise mit meinen Kumpels war eine einzige Katastrophe. Ich kam richtig frustriert zurück nach Berlin und beschloss etwas: Diesmal merkst du dir aber genau, dachte ich mir, warum das so eine beschissene Tour war. Bevor ich noch einmal nach Mittelamerika oder mit denselben Idioten wegfahre. Man muss nicht jeden Fehler zweimal machen. Vor einigen Tagen bekam ich die Fotos aus diesem Urlaub wieder in die Hände. Darauf ist Folgendes zu sehen: Jenna, Göte und ich liegen lachend und bekifft an einsamen mexikanischen Traumstränden, schnorcheln mit riesigen Riffhaien und Manta-Rochen in der Nähe von tropischen Inseln, paddeln durch geheimnisvolle dunkle Höhlen in Belize und bestaunen mit offenen Mündern die Pyramiden der Maya im Regenwald von Guatemala. Es gibt kein einziges…

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Ein 9. November 1989 – der Mauerfall in der DDR

Ich werde vor allem von Westdeutschen oft gefragt, was ich am 9. November 1989 gemacht habe. Natürlich kann ich die Frage bis ins kleinste Detail beantworten: Wir waren wie jeden Donnerstag in diesen Tagen zum Trinken und Debattieren im HdjT verabredet. Vieles änderte sich in meinem Land, neue Parolen und Transparente flatterten in den Straßen der DDR. So viel Neues stürzte auf uns ein, dass wir es gar nicht schafften, über all unsere aufblühenden Vorstellungen und Fantasien für die Zukunft in unserem Land zu reden. Endlich könnten wir einen sozialistischen Staat errichten, der diesen Namen auch verdiente. Eine neue Welt würde da draußen geschaffen – von uns! Das Haus der Jungen Talente befand sich etwa 500 Meter Luftlinie von der…

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Generation Jan Ullrich – Kindheit in der DDR

Eine kleine Leseprobe aus "Mauergewinner": Ich kenne ihn und er kennt mich nicht. Wir wuchsen in derselben Zeit auf und sind auch fast gleichen Alters. Er ist ein Star und ich bin ein Nichts. Mit sicherlich hunderten Personen aus Film, Fernsehen und Sport geht uns das so – nicht nur mir. In diesem speziellen Fall ist die Sache jedoch etwas anders – komplexer, tragischer, vielleicht rührend. In unserer frühen Jugend begegneten wir uns das erste Mal. Meine Mutter ist eine sehr ängstliche Frau. Ich weiß nicht mehr, wie oft wir an der Ostsee im knietiefen Wasser zurückgebrüllt wurden, wie viele Male sie uns bis ins Erwachsenenalter belehrte, nur bei Grün über die Straße zu gehen, und wie glücklich sie war,…

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Eine lange Geschichte – Jugend in der DDR

In meinen ersten Schuljahren liebte ich die ersten Stunden nach den Sommerferien. Die alten Lehrer fragten, was wir in unseren Urlauben erlebt hatten, und die neuen interessierten sich für die Berufe unserer Eltern. Voller Stolz konnte ich immer allen erzählen, dass mein Vater Trainer im Radsport und meine Mutter Sekretärin im Außenhandel war. Dass fast 30 Prozent meiner Mitschüler einfach nur antworteten: „Mein Papa arbeitet bei MfS“, verstand ich nicht, auch nicht nachdem die Lehrerin es in ein „beim MfS“ verbessert hatte. Scheinbar wussten die Kinder selber nicht, was ihre Eltern dort so trieben und vor allem, was dieses MfS eigentlich war. Die erste Stunde verging trotzdem wie im Flug. Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass wir zu…

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Depeche Mode in Ostberlin vor 30 Jahren

Meine ersten Freunde kamen aus Vietnam, Jugoslawien und Bulgarien. An den kleinen Tuan Tui aus dem Kindergarten kann ich mich zwar kaum noch erinnern, aber immerhin schickte ich später aus Solidarität regelmäßig Spielzeug in die Volksrepublik Vietnam. Später unternahm ich viel mit Strafko aus Sofia, der sagenhaft schelmisch dreinblicken konnte. Der wichtigste Ausländer in meinem Leben bis zum Abi aber war Dejan für mich. Es wuchs zusammen, was zusammen gehört. Am 3. Oktober 1990 feierten die Deutschen die Wiedervereinigung. Mit dem Ruf "Wir sind das Volk!" hatten die Ostdeutschen zuvor das SED-Regime bezwungen. einestages präsentiert Geschichten rund um die deutsche Einheit Dejan war Diplomatensohn aus Sarajevo - und ein Geschenk des Himmels. Ab der fünften Klasse saß er neben mir.…

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Trabi no go! – Kindheit in der DDR

Als wir 1981 unseren ersten Trabant geliefert bekamen, hing ich mit meinem Bruder Benny zwei Stunden am Fenster. Vorher hatten wir zehn Jahre auf unser erstes Auto gewartet, aber diese beiden letzten Stunden, in denen wir unseren Vater herbeisehnten, der mit dem neuen Auto um die Ecke bog, waren die schlimmsten. Als die komplette Familie dann auf dem großen Parkplatz vor unserem Neubaublock stand, konnten wir Kinder gar nicht fassen, dass wir von nun an mit diesem tollen Auto in den Garten, in den Urlaub und zum Tierpark fahren würden. Liebevoll und anerkennend strichen wir über den Lack. Vater lud uns sofort auf eine Probefahrt ein und erzählte mit trockener Stimme meiner Mutter von der Übergabe im IFA-Autohaus in der…

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Spürst Du mich? Jugend in der DDR

Bergi und ich machten wie immer die Musik. In unserem Klassenzimmer hatten wir die Tische an die Wände gestellt und die Stühle standen jetzt ebenso in U-Form davor. In der rechten hinteren Ecke stand unsere Anlage auf dem Lehrertisch. Ein Verstärker und zwei alte Boxen aus dem Musikzimmer waren an meinen Kassettenrekorder angestöpselt. Wie gewohnt saßen die Mädchen auf der einen Seite und schauten abfällig zu den herum albernden Jungs gegenüber. Nur bei uns am Pult traf man sich gelegentlich, denn hier konnten die Musikwünsche abgegeben werden, die wir ordentlich auf einem großen DIN-A4-Blatt notierten. Unsere eigenen Favoriten und die Wünsche von Lydia, Ute und Diana standen ganz oben. Die von Lars und Sabine wurden zwar angenommen aber sofort wieder…

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