mauergewinner1

Faulig-feuchte Klamotten, eiskalte Füße und unzählige Sorten Alkohol: Die Erinnerungen an seine DDR-Kindheit in der Kleingarten-Parzelle sind düster. Komisch nur, dass die Fotos im Familienalbum eine ganz andere Geschichte erzählen.
Spiegel Online, Juli 2009

Als ich „Mauergewinner“ 2008 zu schreiben begann, hatte ich mir vorgenommen, stellvertretend für meine Generation etwas Neues und Einzigartiges über die DDR zu schreiben. Denn seltsam: In keinem der angeblich so „typischen“ literarischen Denkmäler für dieses verschwundene Land fand ich mich wieder. Weder gehörte ich zu der Generation von „Zonenkindern“, ich wohnte in keiner „Sonnenallee“ und keinem „Turm“. Meine Jugend, meine Auseinandersetzung mit diesem seltsamen Ort namens DDR, meine Erfahrungen und meine Kämpfe kamen nirgendwo vor. Und erst recht nicht das Gefühl, das ich mit dieser Zeit verband. Komisch. War ich so ein Sonderfall?
Das konnte kaum sein. Wieder hatte ich dieses beunruhigende Gefühl, dass wir Ossis eigentlich bis heute keine eigene Stimme gefunden hatten, um mit Würde und Selbstbewusstsein, humorvoll und gerade deshalb auch ernsthaft von unserer Vergangenheit zu erzählen. Jenseits von Verklärung, Verkitschung, Verniedlichung, Ostalgie und – natürlich – politischer Aufarbeitung. Ich fand, dass im neuen Deutschland langsam ein Bild der DDR heranreifte, das mit meiner DDR erstaunlich wenig gemein hatte.

War ein Teil von mir also wirklich mit der DDR verschwunden? Meine Erlebnisse und Erinnerungen lebten in mir fort – doch um sie aufzubewahren, musste ich sie zu Papier bringen. Ich ahnte dabei natürlich nicht, wie schwierig es sein würde, so wie ich es mir vorgenommen hatte – mit sprachlichem Witz, behutsam und ehrlich – diese Zeit zu reflektieren und dabei von gängigen Mustern abzuweichen. Ich gab mir Mühe, mich nicht nur zu erinnern, sondern auch Verbindungen zur heutigen Zeit herzustellen, zu verfolgen, wie das Erbe der DDR im neuen Deutschland weiterlebt. So wie auch ich es tue.

mauergewinner2Ich wusste, was ich suchte: das Kleine, das Genaue, das Detail, in dem vielleicht gerade, weil es so nebensächlich schien, das große Ganze sichtbar wurde. Dazu gehörte meine Familie mit all ihren Ritualen, meine Freunde mit all ihren verrückten Ideen, die Schule, die Sportwettkämpfe – meine persönliche Umgebung. Und das schon in meiner Jugend immer deutlicher werdende Gefühl, den gnadenlosen Mechanismen eines totalitären Staates und Systems unterworfen zu sein.

Die richtige Form für meinen „Mauergewinner“ waren kurze, temporeiche Geschichten. Ich wollte gerade keine literarischen Denkmäler errichten. Nichts Monumentales wollte ich schreiben, sondern etwas Leichtes, nichts Sprödes, sondern etwas, das auf die Leser einen gewissen Sogeffekt ausübt.

Entstanden sind 30 Geschichten. In jeder davon steht ein prägnantes Erlebnis im Mittelpunkt. Doch sie sind auch untereinander verwoben. So tauchen manche Motive wie das berüchtigte „Scheppert-Eck“ immer wieder auf, werden hier nur beiläufig erwähnt, dort aber vertieft. Nebenfiguren aus einer Geschichte lernt man in einer anderen plötzlich besser kennen. So ergibt sich aus all den Einzelteilen letztendlich doch ein zusammengehöriges Ganzes, das aber assoziativ im Kopf des Lesers entsteht, das Freiräume lässt und lose verwoben ist.

Mein Wunsch wäre, dass sich aus den einzelnen Elementen ein „Gesamtgefühl“, eine „Gesamterfahrung“ einstellt, die mein „DDR-Gefühl“ nachvollziehbar macht. Weil ich davon überzeugt bin, dass ich nicht der einzige bin, dem hier etwas fehlt.

Ich möchte Erinnerungen und Ereignisse, die ich für persönlich bedeutsam, aber darüber hinaus auch für allgemeingültig halte, aufbewahren und teilen. Ich glaube, die Chancen stehen gut, dass sich dadurch auch viele andere Ossis in meinen Geschichten wieder finden.
Was das Interesse von „Wessis“ betrifft, so bieten ihnen meine Geschichten aus „Mauergewinner“ einen Einblick in den Alltag einer Welt, die sie so nie kennen gelernt haben.
Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, hier allen Lesern auf unterhaltsame Weise etwas nahe zu bringen, das auch 20 Jahre nach Mauerfall immer noch bedroht ist (und sich wahrscheinlich auch immer mehr dem Vergessen nähern wird).

Es ist wirklich eine Bereicherung, den „Mauergewinner“ zu verschlingen und es macht großen Spaß, auch mal einen vergnügten Blick auf diese DDR zu werfen.
kadekMedien, Juli 2009

Rezensionen „Mauergewinner“:

  • Spiegel Online
  • Michels Universum,
  • KadekMedien,
  • Buchbote,
  • Bumsbutzener-Gumpfen,
  • Lovely Books,
  • Bick-Magazin (S. 38-39)
  • Ostfussball.com,
  • Tokaitos,
  • Neues Deutschland,
  • Büchertreff,
  • Lesenswert,
  • Heimatfilm,
  • Mitteldeutsche Zeitung,
  • Friedrichshainer Chronik,
  • Sarahs Bücherwelt,
  • Mauerfall Berlin
  • Stiftung Aufarbeitung
  • Friedrichshainblog,
  • Buchentdeckungen,
  • Eliterator.blog.de, Alles rund ums Lesen
  • DDR-Museum
    .
    Zum Buch und zur Facebook-Seite