Mauergewinner! – Jugend in der DDR

Obwohl man es meinem Vater, der Kugel, nicht ansieht, widmete er sein Leben dem Sport. Bereits als Kind wurde er in Halle an der Saale von Funktionären gesichtet und zur Kreis-, Kinder- und Jugendsportschule (KJS) nach Berlin delegiert. Er wurde Juniorenmeister im Speerwerfen und spielte besser Fußball als mancher DDR-Oberligaspieler. Nach dem Diplom als Sportlehrer wurde er Funktionär für Radsport und Schwimmen. In einem Land, in dem der geförderte Leistungssport eine übergeordnet große Rolle spielte, waren mein Bruder Benny und ich also geradezu prädestiniert, in die angesehene Sportelite unseres Landes aufzusteigen. Was soll ich sagen? Natürlich fielen auch wir nicht durch das engmaschige Netz der systematischen sportlichen Beobachtung. Bereits im Kindergarten erkannten Sichtungstrainer mein Ausnahmetalent: Sie schickten mich zum Eiskunstlaufen!…

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Eine kranke Geschichte – Jugend in der DDR

Wir sind die einzig wahren Kinder aus Zone Ost. Die Generation unserer Eltern kannte noch den Ku’damm, wo sie heimlich mit der U-Bahn ins Kino hingefahren waren – sie hatten einen kurzen Blick in den Westen erhaschen können, einen kleinen Vergleich gehabt. Wir nicht. Sie haben uns in eine von ihnen erschaffene DDR hineingeboren und wir mussten nun staunend zuhören, wenn sie aufgeregt ihre abenteuerlichen Geschichten vom Bahnhof Zoo zum Besten gaben. Wir marschierten an einer von ihnen erbauten Mauer vorbei und drückten uns nicht an riesigen Schaufensterscheiben die Nase platt. Im Alter von sieben Jahren malte ich Bilder, welche die Überschriften „Waffenbrüderschaft“ und „Ich will Kosmonaut werden“ und nicht „Urlaub in Spanien“ oder „Meine Katze Ricky“ trugen. Vom ersten…

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People A, People (B) – Jugend in der DDR mit Depeche Mode

Meine ersten Freunde im Leben kamen aus Vietnam, Jugoslawien und Bulgarien. An den kleinen Tuan Tui aus dem Kindergarten kann ich mich zwar kaum noch erinnern, aber meine Mutter beharrt darauf, dass ich damals bei der Familie mit den dunklen Augen beinahe zu Hause war. Zumindest schickte ich anschließend immer aus Solidarität brav Spielzeug in die Volksrepublik Vietnam. Im Abitur gab es den Strafko aus Sofia. Er war ein Wirrkopf, der sagenhaft schelmisch dreinblicken konnte. Otmar und ich brachten ihm die schlimmsten deutschen Schimpfwörter bei und stellten ihn Mädels als Sohn von Jean-Paul Belmondo vor, da er gewisse Ähnlichkeit mit dem Schauspieler hatte. Im Gegenzug musste ich bei meiner ersten Flugreise zusammen mit Kosbi in die bulgarische Hauptstadt für die…

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Ostdeutsches Aschenputtel – Kindheit in der DDR

Bis heute weiß ich, was ich an dieser DDR nicht mochte, was ich zutiefst verabscheute und warum ich froh bin, nicht mehr in diesem Land zu leben. Leute in meinem Alter mit ostdeutschem Migrationshintergrund fürchten sich immer noch vor solchen - oft unausgesprochenen - Drohungen: „Wenn du dies nicht machst, wirst du aber jenes nicht erreichen.“ Oder: „Falls du hierbei erwischt wirst, kannst du dir dies ein Leben lang abschminken.“, „Wenn du hier nicht eintrittst oder unterschreibst, ist die Karriere leider beendet.“ In den Firmen, in denen ich nach der Wende gearbeitet habe, waren komischerweise fast immer die Leute aus Westdeutschland die größten Anpasser, Intriganten und Petzen beim Chef. Und das, wo doch gerade diese Leute immer geargwöhnt hatten, dass…

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Onkel Wolfgang geht – Kindheit in der DDR

Seit heute gibt es eine neue (gekürzte) Story aus meinem Buch "Mauergewinner" bei Spiegel Online. Was in der Geschichte nicht gesagt wird: der Mauerfall hat uns alle wieder zusammengebracht. Nicht nur deshalb bleibt es nach wie vor der wichtigste Tag meines Lebens... ---------------------------------------------------------- ..."Schon mit 14 mussten wir uns in der DDR auf einen Beruf festlegen. Mir war klar, dass diese Entscheidung mein gesamtes späteres Dasein bestimmen würde. Denn die Eltern lebten es vor: Schule - Beruf - Datsche - Rente - Gruft. In meiner Klasse sah ich nur ratlose Gesichter. Was konnten und wollten wir in diesem Land werden? Keine Ahnung. Die meisten nahmen mangels Alternativen die Stellenangebote des Staates an. Manche arbeiteten dann ihr ganzes Leben lang für…

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Endlich angekommen! – Leben in der DDR

Hier beschreibe ich einmal kurz, wie das Buch "Mauergewinner" überhaupt entstanden ist. Letztendlich habe ich nach dieser Story erst mit dem Schreiben halbwegs ernsthaft begonnen. Gute Entscheidung, denn es ist bis heute ein schönes, herausforderndes Hobby ... --------------------------------------------------------------------------------------------------------- Mein 37. Geburtstag stand vor der Tür. Kein besonderes Ereignis - weder ein rundes Jahr, noch war gerade irgendetwas Außergewöhnliches passiert. Ich sagte Sylvie, dass ich trotzdem richtig Lust hätte, eine große Party zu geben. Was mir fehlte, war ein pfiffiges Motto. Es sollte mit mir zu tun haben. Aber wer bin ich? 1971 im ostberliner Stadtteil Friedrichshain geboren, habe ich dort tatsächlich mein komplettes bisheriges Leben lang gewohnt. In meiner Stammkneipe in der Wühlischstraße werde ich von den vielen Zugezogenen bestaunt:…

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Feuerohren – Kindheit in der DDR

Bei meinem ersten Ferienlager in der ersten Klasse war ich sieben Jahre alt. Keine schöne Erinnerung, denn die älteren Kinder quälten mich. Heulend lag ich jeden Abend oben auf meinem Doppelstockbett und wollte nur noch zurück nach Hause zur "Mama". Das Wort konnte ich schon schreiben, einen ganzen Brief bekam ich aber nicht hin. Da es auch mit dem Lesen noch nicht klappte, befand ich mich zwei Wochen lang in einer Kinderhölle ohne Kontakt zur Außenwelt. Telefone gab es nicht, und im Lager fand ich niemanden, der mich tröstete. Sie drehten mir die Arme auf den Rücken, rieben brennende "Feuerohren", boxten wie verrückt aufs Schulterblatt. So gemein wurde mir von hinten ein Bein gestellt, dass ich ständig in den Dreck…

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Mächtig gewaltig, Egon – Jugend in der DDR

Heute gab es mal wieder einen gekürzten Auszug aus dem "Mauergewinner" bei Spiegel Online: . Ich war 14, als ich zu rauchen anfing. An jenem herrlichen Sommertag im Ostberliner Volkspark Friedrichshain bestand mein Ferienjob darin, gemächlich die Grünanlagen zu pflegen. Zwei hinreißend aussehende Kolleginnen legten sich in jeder Mittagspause spärlich bekleidet zum Sonnen aufs Dach des Geräteschuppens. In genussvollen Zügen bliesen sie kleine Rauchschwaden in den blauen Himmel. "Alte Juwel" kosteten 2,50, "Cabinet" 3,20 und "Club" vier Mark. Ich wählte, wie so oft im Leben, die Mitte. Mit meiner ersten "Cabi" in der Hand kam ich tatsächlich mit den verführerischen Mädchen ins Gespräch. So begann mein neues Leben im Qualm der DDR. Schon bald brauchte ich eine Pappschachtel am Tag…

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Grüne Kotze – Jugend in der DDR

Bei Spiegel Online gab es mal wieder 'ne neue Geschichte von mir. Im Buch hieß Sie noch "Grüne Kotze" und hier - ich lege den Titel dort nicht fest - ein bisschen anders...: . Mein 18. Geburtstag stand vor der Tür. Die wichtigste Party meines Lebens warf ihre Schatten voraus. Mit einigen meiner Freunde hatte ich ihr "Erwachsenwerden" bereits begossen. Es hatte stets das Motto gegolten: Wer nicht mindestens einmal gekotzt hat, darf die Feier nicht verlassen. Doch mein großer Tag drohte ins Wasser zu fallen. Am 31. Juli 1989, einen Tag vor meinem großen Jubiläum, saß ich in einem abgedunkelten Planwagen-LKW. Ich trug Armeeklamotten, schwere Stiefel und ein bescheuertes Käppi. Es waren Sommerferien. Die 11. Klasse hatten wir gerade…

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Mein 9. November 1989 – Mauerfall in der DDR

Ich werde vor allem von westdeutschen Freunden oft gefragt, was ich am 9. November 1989 gemacht habe. Natürlich kann ich - wie jeder meiner Generation - die Frage bis ins kleinste Detail beantworten: . 18.53 Uhr: Günter Schabowski, Sprecher des SED-Zentralkomitees, gibt gerade die neue Reiseregelung für DDR-Bürger bekannt. Auf die Nachfrage eines Journalisten, wann die Regelung in Kraft treten soll, antwortet Schabowski: „Ab sofort, unverzüglich!" . Wir waren wie jeden Donnerstag in diesen Tagen zum Trinken und Debattieren im HdjT verabredet. Vieles änderte sich in meinem Land, neue Parolen und Transparente flatterten in den Straßen der DDR. So viel Neues stürzte auf uns ein, dass wir es gar nicht schafften, über all unsere aufblühenden Vorstellungen und Fantasien für die…

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