Ein 7. Oktober mit dem Honeckerzombie – Kindheit in der DDR

Es war ein herrlicher Herbsttag. Bei strahlendem Sonnenschein fuhr ich auf der Karl-Marx-Allee mit dem Fahrrad zur Arbeit und freute mich schon jetzt auf unsere Mittagspause, wo ich mich zusammen mit meiner lieben Kollegin Henna für eine Stunde in den kleinen Park gegenüber legen und die vielleicht letzten wärmenden Strahlen des Jahres genießen würde. Als ich an den zehngeschossigen Hochhäusern kurz hinterm Kino International vorüberkam, fiel mir etwas auf: An einem Fenster im fünften Stock eines der riesigen Betonblocks wehte eine einsame Fahne im Wind: eine DDR-Fahne. Ich fahre hier jeden Tag entlang und grübelte beim Weiterfahren, warum ausgerechnet heute jemand trotzig diesen alten Stofffetzen gehisst hatte. Kurz hinter dem Fernsehturm fiel der Groschen dann endlich. Heute war nicht irgendein…

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Fußball-Prophezeihungen im Jahre 1994 – Fußball-WM in Mexiko

‚Die spinnt doch komplett, die alte Hexe. Das hatte sie doch bestimmt beim Fußball gesehen und will nun die Gringos damit erschrecken.’ Das alte Mütterchen schaut mich mit milchigen Augen an und verlangt das Geld. Ich schmeiße ihr den Peso-Schein wütend vor die Füße und drehe mich um. Jeannet steht neben mir. Dicke Tränen kullern über ihre Wangen, während ich sie in Richtung Ausgang ziehe. Eigentlich hatte ich mir etwas Positives davon versprochen - eine aufmunternde Geste, eine Aussage, die uns erheitern soll - doch genau das Gegenteil war eingetreten. Bloß weg hier. Meinen ersten großen Urlaub mit Jeannet wollte ich 1994 wieder im Land meiner Träume verbringen. Ich hielt das zunächst für ein typisches Ossi-Ding, bis ich begriff, dass…

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Springende Krokodile im Koalaland – Northern Terrytory Australien

Seine Sicht: Es ist ein ungewohntes Gefühl, denn am Morgen bin ich seit ewiger Zeit mal wieder richtig sauer auf meine Mitreisende. Während ich mich noch wundere, was im Zimmer so stinkt, stammelt sie verschlafen, dass es ihr sauschlecht gehe und ich etwas vom Frühstück mitbringen soll. Erst, als ich wiederkomme, entdecke ich den verkrusteten Fleck Erbrochenem neben dem Bett. Das scheint ja allmählich zu einer Spezialität zu werden. Natürlich habe ich nicht das Richtige geholt und während sie sich unter die Dusche schleppt, lese ich am Rechner, dass ich auf der „Abschussliste“ unserer Firma stehe. Ulrike hat diese von einem befreundeten Betriebsrat besorgt. Ihr eigener Name ist allerdings auch auf dem Geheimpapier verzeichnet. Als wir endlich gegen 11 Uhr…

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Angst vor Italien-WM 2006 in Brasilien

Hohe Wellen türmen sich vor mir auf und plötzlich springen zwei Delfine über die Schaumkronen. Langsam kommen sie mir entgegen geschwommen und lassen sich schließlich sogar berühren. Ein Glücksschauer läuft mir über den Rücken, als meine Hand über ihre elastische Haut gleitet. Ich hatte das immer als Unsinn abgetan, doch die beiden scheinen mich tatsächlich anzulächeln. Selbst als ich längst mit einer Zigarette am Strand sitze, strecken sie uns vergnügt die Köpfe entgegen. Sylvie legt einen Arm um mich. Unsere Zehen berühren die angespülte Brandung. Gebannt schauen wir aufs Meer und beobachten das einmalige Schauspiel. Ich weiß in diesem Moment: So glücklich werde ich nie mehr im Leben - vor einem WM-Halbfinale mit deutscher Beteiligung - sein. Niemals! Wir verlieben…

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„Altstoff-Mafia“ oder „Müll zu DDR-Mark“ – Kindheit in der DDR

Das konnte doch einfach nicht wahr sein! Seit Wochen, nein Monaten wachte ich nun jeden Sonntag gegen 9 Uhr auf, weil irgend so ein Arschloch sein Glas im Hinterhof in den Altglas-Tonnen zerdepperte. Wieder klirrte Glas, doch diesmal reichte es mir und ich sprang auf. Wutentbrannt öffnete ich das Fenster. Ich wollte gerade „Schnauze“ oder „Verpiss dich“ brüllen, als ich meinen Irrtum bemerkte: Es schmiss hier niemand seine leeren Pullen in die Container – es wühlte jemand angestrengt darin herum. Das Zauberwort, mit dem man in der DDR Flaschen in Kleingeld verwandelte, hieß SERO. Sekundärrohstoffe wie Papier, Gläser, Flaschen, Schrott, Lumpen, Plaste und Elaste gaben die Menschen in den SERO-Sammelstellen ab und erhielten pro Stück oder Kilogramm einige Pfennige dafür.…

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Benny’s Great Day – Generation Wall – GDR

My brother Benny is a pitiful person – a truly sad person having a biography full of misfortune. Being the second born child he should have been a cute Anja, but instead he was the constantly crying and sick Benny. Still today he tries to find out when exactly he was born, how much he weighed and a lot more information to compile his own baby photo album. That was totally different with me. I had even two baby photo albums. The smallest details were mentioned there: when I passed wind for the first time or how much I weighed after 25 days. One day Benny proudly presented a shoe box filled with “his” photos and wanted to put them…

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Deutschland vs. Algerien mit Hausmeister Krause – WM 2014

Im Vorfeld der WM 2014 gab es in Brasilien in vielen Orten massive und zum Teil gewalttätige Proteste gegen die allgegenwärtige Korruption, gegen Kinderarmut, Arbeitslosigkeit, Misswirtschaft und soziale Ungerechtigkeiten. Mit Anpfiff der Spiele hatten sich die Demonstranten eine Pause verordnet - das große Volksfest mit Menschen aus aller Welt war ihnen dann doch wichtiger. Kurzzeitig. In Belem werde ich jedoch sofort daran erinnert, worum es den gastfreundlichen Menschen eigentlich ging, denn die Stadt im Nordosten des Landes ist ein abgeranztes, muffiges Rattenloch und wirkt wie eine überdimensionale Favela. Von der lieblichen „Stadt der Mangobäume“ mit fantastischen Prachtbauten - wie es im Reiseführer heißt - keine Spur. Die größtenteils dunkelhäutigen Bewohner wirken seltsam traurig und vom Leben ernüchtert. Belem war leider…

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Breslauer Lerge – Zurück in der Heimat

Im Jahr 1953 hatte ich zum ersten Mal das Glück, die Internationale Friedensfahrt als Berichterstatter des Sportechos vom Start bis ins Ziel mitzuverfolgen. Erst zum zweiten Mal war die DDR in das größte Etappenrennen der Welt für Radamateure mit einbezogen worden und diesmal hieß der Streckenverlauf: Prag – Berlin – Warschau. Vom ersten Tag an war es ein einzigartiges Erlebnis gewesen, diesen Tross zu begleiten, doch mit besonderer Spannung sah ich jenem Tag entgegen, an dem wir die Grenze zu Polen überschreiten sollten. Nach nunmehr acht Jahren konnte ich mir endlich ein eigenes Bild von den Verhältnissen in unserem Nachbarland machen und die Stadt besuchen, in der ich einstmals groß geworden war. Natürlich lasen auch wir in den westlichen Gazetten…

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Das schnellste Faultier der Welt – WM 2014

Aua! Am nächsten Morgen geht es mir gar nicht gut. Sylvie weckt uns rabiat: „Steht auf ihr versoffenen Ärsche“, ruft sie grimmig. „In einer halben Stunde müssen wir aus dem Zimmer sein“. Dann ist es 11 Uhr. Nach nur vier Stunden Schlaf. „Außerdem fahre ich jetzt mit den anderen an den Strand und will euch bis 16 Uhr nicht mehr sehen. Ihr seid ja vielleicht zwei Kranke!“ Wir hatten bei unserer Rückkehr wohl ziemlich randaliert und sie mehrfach euphorisch aufgefordert, mitzufeiern - erfahre ich am Nachmittag, als sich die Wogen allmählich wieder geglättet haben. Bis dahin esse ich mit rebellierendem Magen 120 Gramm leichte Kost in einem Kilo-Restaurant und lungere mit Erni im Schatten einer Palme am Stadtstrand herum, wenngleich…

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Breslauer Lerge. Kurz vor der Hölle – Teil 2

Mein Sohn Klaus war etwa 13 Jahre, als mich einmal mein alter Kumpel Heinz Sachse in Berlin besuchte. Wir redeten in der Küche stundenlang über unsere Jugend und den Krieg – und haben uns kaputtgelacht! Klaus sagte am nächsten Tag bestürzt: „Also wenn man euch so reden hört, wünscht man sich ja fast, dass wieder Krieg ist.“ Ich verstand was er meinte, doch wenn man so eine schlimme Zeit überlebt hatte, will man das Erlebte verdrängen und redet nur noch über die schönen Dinge. Bei Hitlers Machtantritt 1933 war ich noch keine acht Jahre alt. Zur damaligen Zeit war ich in den Augen der neuen Machthaber ein so genannter „Vierteljude“, da ein jeder Deutsche dazu verpflichtet wurde, seinen Stammbaum drei…

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