1 Rock n RollNachdem ich ja neulich von meiner eigenen Jugendweihe-Reise berichtet habe, schreibe ich heute mal ein paar Zeilen über die Fahrt, welche ich meiner Nichte zu diesem Anlass geschenkt hatte (Mist! Da liegen ja nun schon 30 Jahre dazwischen) – einfach damit ich es nicht nachträglich rekonstruieren muss.
Zunächst beehrten mich die 14jährige L. zusammen mit meinem 12jährigen Neffen M. (der Doof durfte sogar mitkommen) schon am Donnerstag, den 5.08. gegen 16 Uhr. Da die beiden sonst nur Baby-Comics im TV glotzen, mussten sie zunächst „Big Lebowski“ schauen, um endlich in die Geheimnisse des Bowlingspiels eingeweiht zu werden. Den „Dude“ fanden sie neben „Walter“ dann auch ganz witzig. Nur mit deren Klamottenwahl (und einigen Szenen) konnten sie nicht viel anfangen. Zitat von L.: „Na der Film ist ja auch schon ganz schön alt“.
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Zum traditionellen Spagetti-Essen ohne Besteck (und ohne Hände) war dann auch meine Freundin N. endlich zu Hause. Mittlerweile hat sie sich daran gewöhnt, dass die beiden bei mir einiges dürfen, was ich früher auch gerne ohne Schimpfe gemacht hätte. Andererseits ist es ganz gut, dass sie bei diesen Events dabei ist, sonst würden die Kids wohl ziemlich über die Stränge schlagen oder komplett durchdrehen. So sind sie eigentlich recht folgsam und gehen auch mal Zähneputzen, Duschen oder sogar ins Bett. Am Wochenende waren sie dann sogar eigenständig Brötchen holen, haben dieses dann auch vorbereitet und L. hat danach abgewaschen. Was ist nur mit den Kindern im 21. Jahrhundert los? Goil!
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Der Freitag endete mit einer Runde Monopoly (welches eingepackt bei mir herumstand, da ich seit 10 Jahren niemanden finde, der es endlich mal wieder mit mir spielt). Wusstet Ihr eigentlich, dass ich ein schrecklicher Verlierer bin und ein noch viel grässlicher Gewinner? Meinen glorreichen Sieg, der durch fehlerhafte Tauschaktionen der Kinder mit wertlosen Straßen, recht bald ersichtlich war, zögerte ich auf Maximallänge hinaus und goss ordentlich Salz in die vielen offenen Wunden meiner Miete zahlenden jüngeren Gegner. Zitat: „Du lachst ja wie Papa, wenn Du gewinnst …“
Am nächsten Tag ging es mit Applaus und einer nun auf der Konsole klebenden, Hula-Hula tanzenden Hawaiianerin (ein Geschenk der Kids) nach Feldberg an die „Feldberger Seenplatte“, wo wir eigentlich ein tolles Ferienhaus gemietet hatten, welches sich dann aber als zwei einzelne Ferienwohnungen in einem Haus herausstellte. Außerdem mussten wir am Abend aus unerfindlichen Gründen noch einmal ein Zimmer wechseln. Sei´s drum – wir hatten einen herrlichen Blick auf den Haussee, Kühlschränke, große Betten und für die Jugendbande gab es sogar Kabel-TV. Nur ein W-LAN-Passwort rückte die Vermieterin (eine als „Gesichts-Fünf“ bezeichnete Frau) zu deren Entsetzen nicht heraus. Zitat: „Ham wa nüsch! Und ihr seid ja hier, um euch zu erholen“. Kuhl – das waren wir auch.
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Rückblickend kann ich nicht genau sagen, ob ich als Kind ein „Daddel-Heini“ oder „Smartphone-Junkie“ geworden wäre, da mich die Sprüche meiner Eltern, wie: „ihr müsst auch mal an die frische Luft“ immer geärgert haben. Es gab das Zeug einfach nicht und so war ich gezwungenermaßen oft draußen.
Wir schleppten die Kinder zum Anleger und starteten bei durchwachsenen Temperaturen einen Ausflug per Boot. Bis dato wusste ich gar nicht, dass die großen Tretboote super relaxte Gefährte sind (wenn man hinten sitzt oder liegt und nichts machen muss). An einem bewachten Badestrand wurden wir von einer weiblichen „Gesichts-Zwei“ verjagt, weil man dort nicht einfach halten darf – aber erst, nachdem wir dort ordentlich geplantscht und gesprungen waren (das Wasser war wärmer als die Außentemperaturen).
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Als an es am nächsten Anlegepunkt namens „Ruhepuls“ das erste „Störtebecker“ gab und sogar die Sonne heraus kam, hatte der Kurzurlaub sowieso endgültig begonnen. Dass meine Nichte und mein Neffe seit Jahren zu neunköpfigen Raupen mutiert sind, stört mich auch dann nicht, wenn eine Miniatur-Wurstplatte 6,50 € und ein Spezi oder eine heiße Schokolade über 3,- € kostet. Es sind ja nicht meine „teuren Kinder“ und zweimal im Jahr können sie mich ruhig schröpfen. So auch im „Deutschen Haus“ wo die Hausmannskost-Teller komplett (mit Ablecken) leergegessen wurden. Zitat der Kellnerin: „Na dann habt ihr ja morgen definitiv fantastisches Wetter“.
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Am Abend fing es nach einer Runde „Räuberrommé“ – romantisch am See sitzend – leider an zu nieseln. Vorher wurde N. noch in den elitären Kreis der „Trompfreligion“ aufgenommen. Da dies eher ein Insider ist, verzichte ich darauf, die Prüfungsfragen zu wiederholen. Es gibt ja zurzeit eh nur sechs Menschen, die der Glaubensgemeinschaft der „Grottenolme“ angehören. Ein Bier und zwei TV-Folgen zu spät, ging es ins Bett. Zitat M.: „Two and a half man ist ja auch richtig geil“.
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Am nächsten Morgen stand nach dem „Olympia-TV Frühstück“ mit vielen Leckerlis und einer ausfahrbaren Gabel (auch ein Präsent) dann die eigentliche Geschenkeinlösung an. Ein richtiger Tauchgang (nicht nur Schnupper-Gedöhns) mit der örtlichen Tauchschule. Schnell stellte sich heraus, dass Harry und Andrea – die erfahrenen Tauchlehrer – auch ein ganz gutes Händchen mit Jugendlichen haben. Humorvoll aber durchaus sachlich wurde der Theorieteil über die Bühne gebracht. Nur mich (und N.) mit den Tauschscheinen, die wir in Malaysia gemacht hatten, wurden in der Annahme, dass wir ja alles können, nicht sonderlich hart getestet. Ein Fehler, da das Zertifikat über 10 Jahre alt ist und wir seither nur zwei verheerende Tauschgänge (extreme Strömung in Indonesien und „mich unter Wasser verloren“ in Brasilien) gemacht hatten. L. & M. waren jedoch aufmerksam und ernsthaft – was ich so gar nicht erwartet hatte – und uns dann bei den ersten Übungen im knietiefen Wasser meilenweit überlegen, wie schon beim In-den-Anzug-zwängen und sonstigen anstrengenden Aufgaben (die mir das Tauchen echt vermiesen).
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Bei den verschiedenen Handzeichen, z.B. für „Okay“ oder „Auftauchen“ wurde von unserer Truppe noch vor dem Tauchgang sogleich ein neues erfunden. Wenn man den kleinen und den Zeigefinger nach oben streckt, bedeutet dies „Rock ’n‘ Roll“ – und zeigt man diese Hand waagerecht, nach vorn und hinten schwenkend, heißt es „Rock ’n‘ Olm“.
Um es kurz zu machen: M. war mit mir und dem lustigen Harry in der Jungs-Gruppe und die Mädels L. und N. verschwanden mit der hingebungsvollen Andrea in den Tiefen des Carwitzer Sees, den wir zuvor angesteuert hatten. Die Sicht war für einen See fantastisch (für Malaysia-Taucher: naja). Es gab jedenfalls Fische in vielerlei Größen und Farben zu entdecken, sogar ein riesiger Karpfen (Jungs) und ein Hecht (Mädchen) wurden gesichtet. Zugleich schwebten wir über tiefgrüne Unterwasserwiesen, durch langstielige Schilfrohre hindurch und auf eine untergegangene Plattform. Und trotz kleinerer Pannen, wie Flosse oder Brille verlieren und versehentlich auf 6,5 Meter Tiefe absinken (hier schreibe ich nicht, in welcher Gruppe das geschah), klappte alles hervorragend. Vor allem die Kids stellten sich extrem routiniert an. Eigentlich war ich zuletzt sogar der Looser, da ich meine Flasche ziemlich schnell leergesaugt hatte und bei Harry angestöpselt werden musste. Zitat: „Na du bist ja vielleicht eine Luft-Sau“.
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Genau als wir alle Tauchutensilien eingepackt hatten, fing es körnig zu regnen an. Gutes Timing und Zeit für eine Monsterportion Gulasch (für Harry & Andrea) und Schrippen, Knacker und Mettenden (wir). Zuvor wurde uns von den Tauchlehrern noch erklärt, dass man beim Tauchen etwa 1.000 Kalorien pro Stunde verbrennt. Fetzt. Urst. Ein.
Nach einem Mittagschlaf bis 17 Uhr ging es auf der Halbinsel „Amtswerder“ zunächst zu einem ziemlich coolen Spielplatz (jedenfalls hätte ich den 1986 zum Besten der Welt erklärt) dann ein Bierchen/Spezi an einer Seeterrasse trinken, wieder auf die Spielwiese und schließlich Essen in eine so überfüllte Fischerstube, dass wir bei einem älteren Paar „Gesichts-Vieren“ am Tisch platziert werden mussten. Die beiden sprachen seitdem kein Wort mehr miteinander (wobei wir nicht wissen, ob sie es zuvor getan hatten) wohingegen wir uns noch immer viel über die Tauchabenteuer zu berichten hatten.
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Ein richtig schöner Familienurlaub mit meiner Nichte und meinem Neffen – diesen Fischplattenfressmaschinen – hatte sich entwickelt. Am Abend war der See vor unserem kleinen Plätzchen (wieder bei Räuber-Rommé mit verschärften Regeln) in krasses Licht getaucht. Die Wolken, Bäume, Boote und die Wasseroberfläche ergaben eine fantastische Szenerie – ein Bild voller Stille, Einsamkeit und Urlaubserholung. Bis einer pupste und alle laut loslachten.
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Am Sonntag zeigte sich die Sonne den ganzen Tag – wahrscheinlich weil die Kids immer alles (also wirklich alles!) aufgegessen hatten. Daher verstehe ich bis heute nicht, warum ich ohne Basecap und vor allem ohne mich mit Sonnencreme einzuschmieren für etwa drei Stunden auf ein Boot gestiegen bin. Selbst Kinder sind da schlauer! Egal, wir erkundeten diesmal über einen Kanal den „Breiten Luzin“ sprangen vom Beetle-Boot oder von einer geenterten Plattform ins erfrischende Nass. Dort fragte uns ein idiotischer Junge, ob wir hier aussteigen würden. „So ein Doof“ – war die berechtigte Antwort meiner Nichte. Mit M. drehte ich auf der Rückfahrt etwas durch und sang dabei mit ihm den „Rocky-Song“. Diesmal traf – trotz des Sonnenstichs – alles zu: Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön. Wie auch die abschließende Speiseeis-Orgie in Boitzenburg.
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Und obwohl die süße Beschenkte L. etliche Dinge aufzählte, die ihr anscheinend gefallen haben, antwortete sie auf die Frage, was sie am allerschönsten fand: „Eigentlich das gemeinsame Frühstück“. Okay, wenn das so ist, weiß ich ja bereits jetzt, was ich meinem Neffen M., der nächstes Jahr an der Jugendweihe-Reihe ist, zu schenken habe. Nur deshalb habe ich das heute mal aufgeschrieben – damit ich es nicht vergesse …
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P.S.: ein paar Bilder von der Tauchschule werden folgen.
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