495 FahneEs gibt eben doch kein Paradies auf Erden. Das hatten wir während unserer Reise durch Südamerika schon einige Male gedacht. Wir haben zwar viele traumhafte Orte gesehen, die diesem abgedroschenen Begriff ziemlich nahe kamen, aber irgendetwas hatte den Eindruck dann immer wieder getrübt – Ratten im Zimmer, leichte bis mittelschwere Naturkatastrophen oder tödlich giftige Viecher im Meer.

Und jetzt ging es nach Brasilien. Nach all den schlimmen Storys von Raubüberfällen und Morden an Touristen, die man immer wieder hört, dachten wir, dass man sich dort bestimmt die ganze Zeit über unwohl oder sogar bedroht fühlen würde. Deswegen hatten wir Brasilien ursprünglich überhaupt nicht auf unserem Reiseplan. Aber es war Fußball-WM 2006. Und wir mussten einfach ins Land von Pelé und Ronaldo! Mit eigenen Augen wollte ich die gigantischen, feiernden Massen, die mir aus vergangenen Weltmeisterschaften in Erinnerung geblieben sind sehen.

Klar, ein bisschen Schiss hatten wir schon. Es ging nach Rio de Janeiro, zwar angeblich die schönste Stadt der Welt, aber eben auch eine der gefährlichsten. Unsere Beunruhigung stieg nochmals ein wenig, als wir im Internet-Café sahen, dass sich keines der zuvor angeschriebenen Hotels zurückgemeldet hatte. Wir hatten also keine Unterkunft, als wir uns in die Millionen-Metropole aufmachten. Mit einem Taxi fuhren wir zum Flughafen von Foz de Iguazu in Argentinien. Von dort ging unser Flieger nach Brasilien. Unser Flug hatte ganz schön Verspätung. Das bedeutete, dass wir sogar mitten in der Nacht ohne Bettenbuchung in Brasilien ankommen würden. Am Terminal sahen wir noch das erste Tor im Spiel Brasilien gegen Japan. Das schossen allerdings die kleinen Jungs aus Asien. Au weia!

Aber die Stimmung stieg von Minute zu Minute. Endlich im Flugzeug, begrüßten uns äußerst hübsche Stewardessen. Während der Fußball-WM trugen sie stolz das Brasilientrikot – wirklich herzerwärmend. Der Pilot gab dann alle paar Minuten Informationen durch. Allerdings nicht über das Wetter oder die Flughöhe, sondern irgendetwas auf Portugiesisch, das die Maschine jedes Mal gehörig zum schwanken brachte, so sehr jubelten die Passagiere. Beim zweiten Mal haben wir es dann auch kapiert. Insgesamt viermal feierten die Brasilienfans in der Boing 737, Brasilien siegte also 4:1 über Japan. Auch Fußballgenie Ronaldo traf zweimal.

Auf dem Terminal in Rio waren die Menschen dann völlig außer Rand und Band. Es war das letzte Vorrundenspiel, Brasilien hatte sich längst für das Achtelfinale qualifiziert, aber bereits jetzt drehten die Leute durch, als wäre der Cup wieder in der Heimat. Sie drückten uns Dosenbier in die Hand und forderten uns auf, sofort mitzumachen. Der erste, richtige Caipirinha unseres Lebens unter dem Zuckerhut schmeckte dann auch wie das Land – paradiesisch!

Wir hatten uns vorher über Rio im Internet informiert. Von einer Sache wurde von offizieller Seite dringend gewarnt: Am Flughafen sollte man sich auf gar keinen Fall von unbekannten Leuten anquatschen lassen, die sich mit einem das Taxi teilen wollen – auch nicht von anderen Touristen. Man werde dann möglicherweise ausgeraubt oder gar ermordet.

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