Landunter im DorfWir waren zwei Wochen durch das fantastische und abenteuerliche Laos gereist, hatten Thailands Hauptstadt Bangkok und die alte Königsmetropole Ayuttahya bestaunt, doch für die letzten Tage der Reise mit unseren Freunden hatten wir uns noch etwas anderes verdient – Badeurlaub! Da wir es nicht so touristisch wollten, einigten wir uns auf einen kleinen Ort an der Ostküste des Landes, Ban Krut. Kilometerlange, feine Sandstrände, kleine lauschige Bungalows und kaum Touristen – ein Bilderbuch-Paradies. Und dies alles auf der vor Tsunamis sicheren Seite des Königreiches.

Die Anfahrt dauerte natürlich viel länger als gedacht, aber mittlerweile tickten unsere Uhren auch schon gemächlich asiatisch. Über Bangkok fuhren wir im 3.-Klasse-Waggon Richtung Süden. Durch die Hauptstadt ratterte die Bahn mit etwa 22 Kilometern pro Stunde, so dass wir fast zwei Stunden Zeit hatten, auch mal die hässliche, ärmliche und heruntergekommene Seite der Glitzerstadt zu sehen.

In Bang Saphan kamen wir um 20.30 Uhr an. Dort standen etliche Motorradtaxis vor dem Bahnhof, die uns ins 25 Kilometer entfernte Ban Krut hätten bringen können. Wir feinen Europäer zogen es natürlich vor, zu sechst plus Fahrer im einzig vorhandenen normalen Taxi dorthin chauffiert zu werden. Ich saß auf dem Beifahrersitz, Tesse, Jenna und Troppa saßen hinten und zwei Rucksäcke lagen auf ihnen, Sylvie und ein weiterer Rucksack hockten „bequem“ auf meinem Schoß, im Kofferraum war der Rest des Gepäcks und natürlich der wagemutige Jay. Nach dem Trip spürten wir unsere Beine zwar nicht mehr, dafür hatten wir wahrscheinlich jeder 50 Cent gespart, viel gelacht und hervorragende Urlaubsstimmung. Vor Ort buchten wir traumhafte Bungalows und genossen, in Vorfreude auf die nächsten Tage, den lauen Novemberabend. Doch gegen 23 Uhr begann es fürchterlich zu regnen.
Monsunartige Regenfälle
Am nächsten Tag versuchten wir die wunderschöne Anlage mit Hängematten, riesigem Pool und vor allem direkten Meerzugang – natürlich, wie erhofft, mit weißem Sandstrand unter Palmen – zu genießen. Leider regnete es mit kurzen Unterbrechungen monsunartig weiter. Es kam also dementsprechend sehr wenig Beach-Feeling auf. An diesem Abend fiel der Strom im Ort komplett aus.

Am darauf folgenden Morgen wachte ich auf, trat vor die Tür der Hütte und war geschockt. Die komplette Anlage stand unter Wasser und es schüttete weiterhin wie aus Eimern. Unsere Bungalows standen zum Glück auf Stelzen, aber in einige Häuser strömten schon die Wassermassen. Knietief wateten wir ins Restaurant zum Klo, denn bei uns ging jetzt weder Strom noch Toilettenspülung – im Restaurant aber auch nicht. Jay stand mit Badehose und Regenjacke vorn am Meer und trank gefrustet ein Bier. Hohe Wellen spülten Geröll, Äste und Kokosnüsse ans Land.
Warten auf Besserung
Irgendwann ließ der Regen ein wenig nach. Mittlerweile wurden richtige Bäume angeschwemmt und irgendwann kamen ganze Schränke, Decken und sogar ein Kühlschrank dazu. Wir dachten sofort, ein Schiff wäre gekentert. Wir holten Teddys, Motorradhelme, Kommoden und Kleidung aus dem Meer. Vielleicht würden wir ja einen Schatz finden! Doch es sollte ganz anders kommen.

Sylvie und Troppa kamen plötzlich ganz aufgeregt auf uns zu gerannt. Sie waren gerade im Dorf gewesen und berichteten etwas umständlich, dass sie sozusagen aus dem „Ex-Dorf“ kämen. Der komplette Ort versank dort scheinbar gerade in den Fluten, samt Hütten, Fernsehern und eben Kühlschränken.

Leider – ich muss ja bei der Wahrheit bleiben – liefen wir erst zurück in die Anlage, um unsere Fotoapparate zu holen, anstatt darüber nachzudenken, ob wir nicht vielleicht sofort helfen könnten. Was wir dann in dem kleinen Fischerdorf sahen, war unbeschreiblich und eine wahre Katastrophe. Der Fluss, gestern noch ein winziges Rinnsal, war mittlerweile ein riesiger gewaltiger Strom, der alles mit sich riss, was sich ihm in den Weg stellte. Aber nicht nur das. Auch ringsherum waren sämtliche Häuser, die noch standen, vollkommen überflutet. Viel schlimmer konnte es beim katastrophalen Tsunami vor einigen Monaten auch nicht ausgesehen haben.
Wo ist mein Haus?
Und dennoch: Dafür, dass hier die meisten Menschen ihr ganzes Hab und Gut verloren hatten, nahmen sie es, zumindest nach außen schien es so, ziemlich gelassen und unaufgeregt. Sie schauten eigentlich nur, ähnlich wie auch wir, staunend dem Schauspiel zu. Niemand weinte oder klagte, einige scherzten sogar. Es wurden sofort für die vielen Betroffenen Suppenküchen eingerichtet. Sogar uns bot man lächelnd etwas zu Essen an. Eine wirklich bewundernswerte Einstellung. Das ist Thailand!

In unsere nur minimal höher gelegene Anlage wurden am Nachmittag zwei deutsche Frauen einquartiert. Sie mussten evakuiert werden, da ihre Koffer samt Hotel weggespült worden waren. Mittlerweile war klar, dass durch die Regenfälle ein Staudamm landeinwärts gebrochen war. Ihre Sachen suchten die beiden auch am nächsten Morgen noch vergeblich. Auch wir mussten jetzt schon hüfttief durch den Modder zu unseren Bungalows waten.

Am Abend nieselte es nur noch. Die Brühe um unsere Häuser begann bereits fürchterlich zu stinken, allerlei Viehzeugs, besonders riesige Ochsenfrösche, tummelten sich darin. Jenna war bereits richtig krank geworden. Im Dunkeln saßen wir mit unseren Stirnlampen auf einer trockenen Terrasse und begannen achtzigprozentigen Thai-Whisky zu trinken, „Versiegeln“ nannten wir das. „Mit dem Zeug im Körper fangen wir uns keine Krankheiten ein“ – so zumindest der Plan. Irgendwann ging es uns dadurch auch ein bisschen besser und wir versuchten ein wenig zu schlafen. Tote oder Schwerverletzte hatte es wohl bisher keine gegeben. Ein wahres Wunder! Am Abend begann der Regen erneut lautstark auf unsere Dächer zu trommeln.

Einige Zeit später wollten wir zum Nationalpark Khao Sok, in den Dschungel des thailändischen Festlandes fahren. Doch wie immer in Thailand verrechneten wir uns mit den Busfahrzeiten und strandeten auf dem Weg dorthin in einem kleinen Örtchen namens Khao Lak an der Westküste des Landes …

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