Kubanische Apfelsinen – aus dem Buch „Leninplatz“

Am 14. November 1986 türmen sich morgens 15 Zentimeter Schnee auf dem Fensterbrett und in der Schule liefern wir uns eine heroische Schneeballschlacht mit den Spastis aus der Rosa Luxemburg. Schon auf dem Heimweg wissen wir, dass uns ein 1A-Wochenende bevorsteht. Mit Benny wuchte ich den Schlitten vom obersten Regal der Kammer herunter und auch die verrosteten Gleiter finden wir irgendwann. Am nächsten Tag sind wir startklar für den winterlichen Friedrichshain. Ich trage meinen beige-gelben Anorak, die grün-blaue Bommelmütze, welche Opa mir aus Sarajewo mitgebracht hat, schwarz-rot gestreifte Hosen und braune Stiefel. Wie all meine Freunde bin ich ein Farbtupfer, der sich holprig die schneebedeckten, weißen Hügel hinunterstürzt. In der 6. Klasse hatten wir einmal zeichnen müssen, wie wir uns…

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Gute Vorsätze – aus dem Buch „Leninplatz“

Eigentlich müsste ich gerade meinen Lebenslauf schreiben. Das hatte mir unsere Lehrerin Frau Wagenbach geraten, weil sie sich im kommenden Jahr bei der Direktorin für meinen Abiturplatz einsetzten will. Trotz zahlreicher Verfehlungen besäße ich zumindest in Deutsch ein gewisses Talent – meinte sie. Aber das geht leider nicht, denn es beginnt der lang ersehnte Weihnachtsmarkt an der Jannowitzbrücke. Große Leuchtschriften, blinkende Reklametafeln, heulende Sirenen und Lautsprecherdurchsagen locken mich hinter das breite Tor mit den Märchenfiguren im Tannengrün. Den Alten wird alljährlich mit Glühwein, Altberliner Bierbowle und Kräuterschnäpsen eingeheizt und die Kleinsten weinen sich beim Erinnerungsfoto mit dem Rauschebart-Mann im roten Mantel oder während der Tortur in der Geisterbahn die Augen aus. Andere fahren mit dem ununterbrochen von „O du fröhliche“…

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